Zusatzstoffe im Dosenfutter - sinnvoll oder nicht?

 

Erinnert Ihr euch an meinen Blogartikel zum Thema „Stiftung Warentest und das ‘gute Hundefutter’“?

 

Er wurde heiß diskutiert und die Entrüstung war groß, dass manche Nassfutter fälschlicherweise als Alleinfuttermittel deklariert werden.
Denn ein Alleinfuttermittel muss alle essenziellen Nährstoffe enthalten, die der Hund benötigt.
Die getesteten Sorten wiesen aber einige Mängel in der Bedarfsdeckung auf. Dies betrifft insbesondere die Hersteller, die ein Alleinfuttermittel damit bewerben, dass es „frei von künstlichen Zusätzen“ oder „ohne synthetische Vitamine“ ist und deshalb besonders „natürlich“, „naturnah“ und damit gesünder als andere Dosenfutter sei.
Die mangelnde Bedarfsdeckung der einzelnen Nassfuttersorten wurde von vielen Hundehaltern und auch den Herstellern selbst als problemlos abgetan, denn schließlich müsse nicht jede einzelne Mahlzeit ausgewogen sein und alle Nährstoffe enthalten. Es komme vielmehr auf die Wochenbilanz an: Innerhalb einer Woche sollte also am besten so abwechslungsreich gefüttert werden, dass trotzdem alle benötigten Nährstoffe ausreichend „im Hund landen“.
Abgesehen davon, dass eine Dose, die nur in Kombination mit anderen Dosen bedarfsdeckend ist, trotzdem kein Alleinfuttermittel ist und auch nicht als solches deklariert werden darf, stimmt der Gedanke natürlich grundsätzlich: Selbstverständlich müssen nicht jeden Tag alle Nährstoffe in der richtigen Menge im Hund landen, die Wochenbilanz ist hier ein guter Orientierungspunkt 😊.
Daher führten die Facebook -Diskussionen schließlich zu dem Ergebnis: Wenn man verschiedene Sorten eines Herstellers oder am besten sogar verschiedene Sorten verschiedener Hersteller innerhalb einer Woche gibt und damit sehr abwechslungsreich füttert, dann ist die Bedarfsdeckung problemlos erreicht und man kann auf Zusätze verzichten.
So einfach ist das aber leider nicht.
Um das nicht einfach nur zu behaupten, sondern mit Zahlen und Fakten belegen zu können, habe ich für Euch gerechnet 😊.

Wer an dieser Stelle keine Lust und /oder Zeit hat, alles zu lesen, hier eine sehr kurze Zusammenfassung:
Als Alleinfuttermittel deklarierte Nassfuttersorten, die ohne Zusatzstoffe sind, sind nie bedarfsdeckend - auch nicht, wenn man sie vielfältig und abwechslungsreich kombiniert.
Was das für die Fütterung bedeutet, ist am Ende des Artikels nachzulesen.

 

Ich habe für die Berechnungen Nassfutterdosen ausgesucht, die als Alleinfuttermittel deklariert sind und die damit werben, keine „synthetischen Zusatzstoffe“ zu enthalten.
Ich habe dabei nur die Sorten ausgewählt, die offen deklariert sind, sodass ich recht genau berechnen konnte, welche Nährstoffe enthalten sind. Die Hypothese ist ja: Je größer die Auswahl und Abwechslung, umso besser die Bedarfsdeckung.
Deshalb habe ich
  • sechs verschiedene Hersteller und insgesamt
  • neun sehr verschiedene Futtersorten durchgerechnet.
Es sind acht verschiedene Fleischsorten (Rind, Pute, Huhn, Pferd, Ente, Hirsch, Lachs und Lamm) und auch bei den Kohlenhydraten und beim Obst und Gemüse habe ich auf viel Variation geachtet. Von der Kartoffel über die Hirse, bis zu Reis, Süßkartoffel, Buchweizen, Chiasamen, Kürbis, Zucchini, Karotte, Feldsalat, Sellerie, Fenchel, Gurke, Brennnessel und rote Beete sowie Spinat ist alles dabei. Auch die Früchteauswahl kann sich sehen lassen: Birne, Aprikose und Heidelbeeren, Hagebutten, Feigen, Äpfel und Preiselbeeren sind hier im Angebot. Dazu runden Kräuter/Pflanzen wie Petersilie, Moringa, Dill, Rosmarin, Thymian, Minze und Bockshornklee das Futter ab. Natürliche Zusätze wie Leinöl, Eierschalenpulver, Algenkalk und Salz sind ebenfalls enthalten, andere Zusatzstoffe sind, wie erwähnt, nicht zugefügt.
Mit diesen Dosen habe ich Euch verschiedene Beispiele durchgerechnet. Zum besseren Vergleich immer mit einem ausgewachsenen Hund mit 25kg Gewicht.

 

Beispiel 1

  • normale Aktivität – durchschnittlicher Kalorienbedarf von 30 MJ pro Woche
  • fünf verschiedene Fleischsorten
  • vier verschiedene Hersteller

Calcium und Phosphor sind beide nicht ausreichend in der Ration, das Verhältnis zueinander liegt bei 1,06:1. Magnesium fehlt deutlich (knapp 70% Bedarfsdeckung) und auch die Spurenelemente Kupfer, Zink und Mangan sind teilweise nicht einmal zur Hälfte gedeckt.

Jod ist gar nicht in der Ration enthalten.

Vitamin A ist durch etwas Leber, die in manchen der Dosen enthalten ist, ausreichend in der Ration und liegt beim etwa 4,5fachen des Mindestbedarfs. Das ist absolut in Ordnung, hier ist viel Spielraum möglich und noch lange keine Überdosierung erreicht. Vitamin D ist kaum enthalten, ebenso wenig Vitamin E und die meisten B-Vitamine. Die Omega 3 Fettsäuren EPA und DHA (aus Platzgründen nicht im Diagramm) sind nicht vorhanden.
Linolsäure (eine essenzielle Fettsäure) ist mit 90% Bedarfsdeckung beinahe ausreichend in der Ration, da in dieser Wochenmischung eine Dose mit Ente enthalten ist, die viel Linolsäure enthält.

Beispiel 2

  • derselbe Hund, aber ein paar Jahre älter: beginnende Arthrose, weniger Bewegung und dadurch geringerer Energiebedarf – er bekommt etwa 25% weniger Kalorien als früher, um nicht zuzunehmen (23 MJ)
  • dieselbe Wochenmischung (vier Hersteller, fünf Fleischsorten) wie in Beispiel

 

Damit werden nur noch 55% des benötigten Calciums und etwa 71% des benötigten Phosphors zugeführt. Auch Magnesium ist nur noch zu etwa 50% in der Ration. Durch die geringe Futtermenge ist sogar zu wenig Natrium enthalten, die Spurenelemente werden natürlich noch weniger und Jod ist nach wie vor nicht vorhanden.

 

Auch bei den Vitaminen hat sich natürlich durch die geringere Futtermenge nichts zum besseren gewandelt, Linolsäure ist nur noch zu knapp 75% gedeckt. Damit bekommt dieser Hund, außer Eisen, Kalium, Vitamin A und zwei B-Vitaminen, von allen Nährstoffen zu wenig!
In der Praxis erlebe ich dies übrigens sehr häufig: Hunde, die nur sehr wenig Futter bekommen, da sie z.B. aufgrund von Beschwerden am Bewegungsapparat nur wenig Bewegung haben. Oder Hunde, die aufgrund sehr vieler Leckerlis nur geringe Futtermengen bekommen, um nicht zuzunehmen. Selbst bei eingerechneten Leckerlis sieht die Bedarfsdeckung bei diesen Hunden oft ähnlich schlecht aus wie in diesem Beispiel.

Beispiel 3

  • normal aktiver Hund aus Beispiel 1 – Energiebedarf 30 MJ/Woche
  • andere Nassfuttersorten: vier verschiedene Sorten von drei verschiedenen Herstellern

 

In dieser Wochenmischung ist eine Dose, die viel Calcium enthält– und zwar so viel, dass beinahe die doppelte Bedarfsdeckung bei einem Calcium-Phosphor-Verhältnis von 1,7:1 erreicht wird. Trotzdem ist Magnesium deutlich zu wenig in der Ration und insbesondere Zink ist kaum nennenswert vorhanden. Der Jodwert ist leider unklar, da eine der berechneten Dosen zwar Seealgenmehl (mit Mengenangabe) in der Deklaration angab, jedoch keinen Jodgehalt der Seealge ausweist. Mit der genannten Menge ist demnach eine Deckung von 10-70% theoretisch möglich, ich habe mit einem Mittelwert gerechnet.

 

 

Da in der Wochenmischung eine von vier Dosen Lachs enthält, ist Vitamin D etwa vierfach über Bedarf gedeckt. Das ist zwar ziemlich viel, wäre aber noch keine Überdosierung. Auch Vitamin A ist nicht überdosiert. Vitamin E sowie die meisten B-Vitamine sind nicht gedeckt und auch Linolsäure ist nur zu 75% gedeckt.

Beispiel 4

  • aktiver, hibbeliger, sportlicher Hund, der einen höheren Energiebedarf hat (er bekommt etwa 30% mehr Kalorien pro Woche, also statt 30 MJ 39 MJ).
  • dieselbe Wochenmischung wie der Hund in Beispiel 3

Durch die erhöhte Futtermenge ist Calcium nun 2,5fach über Bedarf in der Ration ist. Das muss nicht zwingend zu Problemen führen, schön ist es aber nicht 😉. Magnesium ist selbst bei dieser hohen Futtermenge nicht ausreichend gedeckt (85%). Kupfer ist nun gedeckt, Zink hingegen ist trotz der erhöhten Futtermenge nur zu 35% gedeckt und Jod ist natürlich nach wie vor unklar – es kann sowohl wie im Diagramm angegeben unter Bedarf in der Ration sein, aber auch eine leichte Überversorgung wäre theoretisch denkbar.

Mit der höheren Futtermenge ist Vitamin A nun 9fach über Bedarf in der Ration. Das ist zwar recht hoch, stellt aber noch keine Überdosierung dar. Vitamin D ist 5,5fach über dem Mindestbedarf – dauerhaft wäre dies nicht zu empfehlen. Und erneut sind trotz der hohen Futtermengen Vitamin E und einige B-Vitamine nicht ausreichend gedeckt.
Häufig habe ich tatsächlich auch Hunde, die noch höhere Futtermengen benötigen als „nur“ 30% mehr als der Durchschnittshund derselben Gewichtsklasse. Beispielsweise junge Boxer oder Schäferhunde brauchen oft sogar mehr als das Doppelte. Hier hätten wir dann Überdosierungen bei Vitamin A und D zu befürchten. (Bei Trockenfutterfütterung hatte ich schon Überprüfungen, die das Siebenfache des Calciumbedarfes bekommen haben). Je mehr Futter man geben muss, umso eher kommt es bei manchen Dosenkombinationen zu Überdosierungen und je weniger Futter man geben kann, umso eher führen sowieso schon schlecht gedeckte Dosen zur Mangelernährung.
Nun könnt ihr natürlich sagen: Bestimmt hat sie die Dosen in der Wochenmischung immer so zusammengestellt, dass sie die Ergebnisse bekam, die sie wollte😉. Wenn ich das selbst sinnvoller zusammenstelle, dann kann ich die Lücken passend füllen – schließlich behaupten ja auch die Hersteller, dass das geht.
Deshalb habe ich Beispiel 5 für Euch berechnet:

Beispiel 5

  • derselbe Hund, normale Aktivität (30 MJ)
  • 8 verschiedene Sorten
  • 5 verschiedene Hersteller
Diese habe ich innerhalb einer Woche so „hingedeichselt“, dass Calcium und Phosphor bedarfsgerecht zugeführt werden und sogar im Verhältnis zueinander stimmen und dass ausreichend Vitamin D in der Ration ist.
Doch selbst bei dieser Variation (und ich habe mir wirklich Mühe gegeben, es passend zu machen 😉), waren noch Lücken vorhanden: Jod fehlte (da es in beinahe jeder Dose fehlt oder unzureichend deklariert ist), die B-Vitamine waren nicht ausreichend gedeckt, Magnesium fehlte und ebenso waren die Spurenelemente Kupfer, Zink und Mangan nicht gedeckt. Linolsäure war zu knapp und auch Vitamin E sowie die Omega 3 Fettsäuren fehlten.

 

 

 

Mit den passenden Nahrungsergänzungen (drei „Pülverchen“), einem guten Omega 3-6-9 Öl und Nüssen kann die Ration dann aber so aussehen.

 

Das Calcium-Phosphor-Verhältnis liegt bei 1,37:1.

Vitamin A liegt siebenfach über dem Mindestbedarf und damit in einem guten Rahmen, Vitamin D ist ausreichend gedeckt und auch die B-Vitamine sind alle bedarfsdeckend in der Ration. Linolsäure ist durch die Nüsse gedeckt und auch EPA und DHA werden ausreichend zugeführt (Omega 3-6-9 Öl).
Wählt man andere Dosenkombinationen, werden wieder andere Nahrungsergänzungen nötig sein, beispielsweise ein Knochenmehl oder etwas Calcium oder Vitamin D in Form von Lebertran.
Egal welche Kombination ich aber ausprobiert habe (und es waren viele!), die B-Vitamine waren nie ausreichend gedeckt, Magnesium und die Spurenelemente meist auch deutlich unter Bedarf versorgt und Jod war entweder gar nicht vorhanden oder schlecht deklariert, sodass es nicht berechnet werden konnte. Ohne eine Lachsdose sind auch Vitamin D und die Omega 3 Fettsäuren nie gedeckt und die Linolsäure kommt in den meisten Dosen zu kurz.
Fakt ist also: Die „natürlichen“ Alleinfuttermittel „ohne Zusatzstoffe“ sind nicht bedarfsdeckend – auch nicht bei ausgeklügelter Kombination und ausreichender Variation. Denn die meisten Dosen haben ähnliche „Defizite“ und aus „zwei Löchern“ in der Bedarfsdeckung wird nun einmal keine gute Bedarfsdeckung, nur weil man es kombiniert.

Was bedeutet das für die Fütterung?

Es bleiben zwei Möglichkeiten für die Fütterung von Nassfutter:

 

Möglichkeit Nr. 1

Ihr wollt zwingend ein Alleinfuttermittel füttern, bei dem ihr Euch keine Gedanken um die Bedarfsdeckung machen müsst? Dann dürfen es keine Hersteller sein, die damit werben, keine Zusatzstoffe zuzufügen, um besonders natürlich zu füttern. In diesem Fall müsstet ihr auf Nassfutter zurückgreifen, die ernährungsphysiologische Zusatzstoffe wie z.B. Kaliumjodid, Zinkoxid oder Vitamin D3 (oder je nach Grundlage der Dose natürlich auch andere Zusätze) enthalten. Diese sind nicht per se schlecht, sondern sorgen einfach in diesem Fall dafür, dass Eure Hunde alles bekommen, was sie brauchen. Achtet darauf, dass Hunde, wie z.B. der Hund in Beispiel 4, die sehr viel Futter bekommen, natürlich auch mit einem Alleinfuttermittel schnell in Überversorgungen landen. Und Hunde, die sehr wenig Futter bekommen, können natürlich auch mit einem eigentlich bedarfsdeckenden Futter möglicherweise unter Bedarf gefüttert werden. Diese Regeln gelten für alle Fertigfutter, wenn man zu sehr von der Futterempfehlung abweichen muss. Außerdem müsst ihr ein Auge darauf haben, ob das Futter mit den Zusatzstoffen bedarfsdeckend ist, auch hier können unter Umständen Nährstoffe fehlen, die ergänzt werden müssen (den individuellen Bedarf decken Fertigfutter übrigens nie). Es schadet also nie, sich damit auseinander zu setzen, welche Nährstoffe alle im Futter enthalten sein müssen.

Meine Kollegin Anna hat hierfür eine kleine Checkliste verfasst, woran ihr gutes Alleinfuttermittel erkennen könnt.

 

Übrigens: auch technologische Zusatzstoffe wie E410 müssen nicht zwingend schlecht sein, sondern können in diesem Fall einfach ein Bindemittel wie Johannisbrotkernmehl sein. Natürlich ist es sinnvoll, sensorische Zusatzstoffe wie Aroma- und Farbstoffe oder technologische Zusatzstoffe wie BHT/BHA (Konservierungsmittel) zu vermeiden. Man darf aber nicht alle Zusatzstoffe über einen Kamm scheren, denn die ernährungsphysiologischen Zusatzstoffe sorgen eben dafür, dass das Futter auch Alleinfuttermittel genannt werden darf – es nämlich den kompletten TÄGLICHEN Nährstoffbedarf Eures Hundes decken kann.

 

Möglichkeit Nr. 2

Ihr wollt weiterhin die Nassfuttersorten füttern, die fälschlicherweise als Alleinfuttermittel deklariert und nicht bedarfsdeckend sind, die aber in der Zusammensetzung gut und qualitativ hochwertig sowie offen deklariert sind?

Kein Problem 😊 Tatsächlich ist das natürlich auch immer mein Rat, qualitativ hochwertige Dosen den günstigen, schlecht deklarierten Billig-Dosen aus dem Supermarkt vorzuziehen. Aber eben nur dann, wenn ihr der Verbrauchertäuschung nicht „auf den Leim geht“, dass „ohne Zusatzstoffe“ automatisch bedeutet, dass es gesünder und gleichzeitig auch bedarfsdeckend ist.

 

Ihr müsst bereit sein, Euch mit den Nährstoffen auseinander zu setzen und die fehlenden Nährstoffe zu ergänzen. Es ist natürlich nicht nötig, acht verschiedene Dosen oder fünf verschiedene Hersteller zu kombinieren – denn wie ihr gesehen habt, bringt das bezüglich der Nährstoffversorgung auch nicht zwingend eine Verbesserung. Wichtiger ist es, die Dosen passend zu ergänzen, um eine bedarfsdeckende Fütterung zu erreichen. Ein paar Hinweise habt ihr in diesem Artikel ja schon bekommen, ansonsten helfen Euch auch ErnährungsberaterInnen gerne weiter 😊.

 

Lasst Euch also nicht hinters Licht führen: Ein „abwechslungsreiches Füttern“ verschiedener Dosen, die alle dieselben Mängel haben, kann eben keine Mängel beheben! Hier hilft nur gezieltes Supplementieren!